EU Green Deal : Gut für das Klima, schlecht für die Biodiversität
Am 11. Dezember 2019 hat die Europäische Kommission den, mit großer Spannung erwarteten, sogenannten Europäischen Green Deal angekündigt. Wenngleich das Dokument viele Bestrebungen enthält um dem Klimawandel entgegen zu wirken, sind jedoch kaum Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität aufgeführt.
Mit dem Ziel bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden und natürliche Lebensräume zu schützen, hatte die frisch gewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprochen binnen der 100 ersten Tage ihrer Amtszeit einen Green Deal zu veröffentlichen, welcher nun vor einer Woche offiziell als „neue Wachstumsstrategie“ angekündigt wurde. Das Dokument bezieht sich vorwiegend auf die aktuelle Klimakrise und beinhaltet eine Reihe Maßnahmen für den nachhaltigen Übergang der Energiewirtschaft von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern. Bedauerlicherweise wurde das kritische Thema des Artenrückgangs kaum angesprochen und konkrete Handlungen zum Erhalt der Biodiversität und der Ökosysteme fehlen.
Trotz mehreren wichtigen und alarmierenden, rezent veröffentlichten Forschungsarbeiten (wie dem IPBES-Bericht) welche bestätigen, dass rund eine Million Pflanzen- und Tierarten vom Aussterben bedroht sind, hat die Europäische Kommission scheinbar nicht begriffen, dass der Klimawandel und die Biodiversitätskrise zwei Seiten derselben Medaille sind. Der Klimawandel hat Auswirkungen auf alle Ökosysteme und vom Menschen ge- bzw. zerstörte Ökosysteme beschleunigen wiederum Ersteren. Dabei ist längst belegt, dass intakte, biodiverse Ökosysteme widerstandsfähiger gegen negative Einflüsse wie Wetterextreme sind und diese auch besser abschwächen können. Gesunde Ökosysteme und die von ihnen gelieferten Dienstleistungen sind demnach nicht nur ein effektives Instrument, sondern ein Grundstein zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Folgen und somit essentiell für unser Überleben. Folglich müss(t)en Natur- und Klimaschutz mit der gleichen Priorität behandelt werden, denn, wenn wir unsere Lebensräume für Pflanzen, Tiere und Menschen unbewohnbar machen, hilft uns auch die Klimaneutralität nicht mehr weiter.
Die Natur in Europa wurde bis dato beträchtlich zerstört – dem muss jetzt ein Schlussstrich gesetzt werden.
Der Green Deal muss also erstens eine sofort wirksame und handlungsorientierte Biodiversitätsstrategie enthalten. Zweitens ist die im Deal beschriebene Gesetzgebung schwammig, wobei wir eine Reihe rechtsverbindlicher Renaturierungsziele benötigen, an die sich alle Mitgliedsstaaten halten müssen. Drittens droht die Kommission in der Forstwirtschaft mit der Förderung von Plantagenwirtschaft zur Bereitstellung von Biomasse für die Energieerzeugung, die Waldökosysteme nur weiter zu schwächen. Weder der Verlust der biologischen Vielfalt noch die Klimaproblematik werden dabei berücksichtigt und beides könnte sich sogar verschärfen. Viertens, bleibt der EU-Green Deal in punkto Landwirtschaft sehr vage, mit unkonkreten Verpflichtungen zur Nachhaltigkeit, zur Reduzierung von Pestiziden und Düngemitteln sowie zur Förderung des ökologischen Landbaus. Diesbezüglich, wie auch zur Reduktion von Lebensmittelverschwendung erwarteten Ziele sind wohl unter dem Druck der Lobby geschmolzen. Besorgniserregend ist auch die enthaltene Behauptung, 40% des Budgets der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) werden zum Klimaschutz beitragen, welche der Europäische Rechnungshof bereits zuvor als „Erfindung“ bezeichnet hat. Ein weiteres offensichtliches Versagen in Bezug auf die Landwirtschaft ist das Fehlen von Maßnahmen zur Verringerung des Fleisch- und Milchkonsums. Dazu kommt, dass der Green Deal, bis auf den Wald und das Süßwasser, keine anderen Ökosysteme erwähnt hat, deren Wiederherstellung bzw. Schutz aber für die Bekämpfung der Klimakrise und den Erhalt der biologischen Vielfalt notwendig sind.
Vor allem nach der enttäuschenden UN-Klimakonferenz COP 25 in Madrid wird klar, dass der europäische Green Deal allenfalls ein guter erster Schritt in die richtige Richtung ist. Jedoch scheint die Erkenntnis oder der Enthusiasmus zu fehlen, den Artenreichtum in unserer Natur- und Kulturlandschaft zu fördern, sowohl gegen den Biodiversitätsverlust selbst wie auch als effektive Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel.
Auch die Luxemburger Regierung hat am 6. Dezember erstmals einen Klimaplan veröffentlicht. Dieses als „ambitiös, innovativ und sozial gerecht“ bezeichnetes Dokument ist ein wichtiger, nationaler Meilenstein zur Bekämpfung der aktuellen Klimakrise. Jedoch kommt auch hier das Wort „Biodiversität“ nicht ein einziges Mal vor.
Wäre der sogenannte „Nationale Energie- und Klimaplan“ nicht noch ambitiöser wenn die enthaltenen Maßnahmen die reale Dringlichkeit der Klima- und Biodiversitätskrise wiederspiegeln würden ?
Wäre der Klimaplan nicht noch innovativer wenn er, neben dem Förderprogramm für Waldökosysteme, einen ausgearbeiteten, holistischen Biodiversitätsförderplan, beinhalten würde ?
natur&ëmwelt plädiert für eine CO2-neutrale und artenreiche Zukunft.